© www.pd-f.de / Luka Gorjup | Lux Fotowerk

Beitrag vom 1. Oktober 2022

StVO-Novelle bringt Verbesserungen für Radverkehr

Die Straßenverkehrsordnung (StVO) regelt die sichere Nutzung der Straße durch alle Verkehrsteilnehmer:innen und bildet die rechtliche Grundlage für das Verhalten auf öffentlichen Verkehrsflächen. Die 33. Novelle der StVO gilt seit 1. Oktober 2022. Sie beinhaltet einige grundlegende Verbesserungen für Radfahrer:innen, Fußgänger:innen und die Verkehrssicherheit von Kindern. Hier ein Überblick über die wichtigsten Änderungen.

Radrelevante Inhalte der Novelle

Definierter Überholabstand

Mit der neuen StVO Novelle gilt ein definierter Mindest-Seitenabstand beim Überholen von Radfahrenden durch Kraftfahrzeug-Lenker:innen: mindestens 1,5 Meter im Ortsgebiet und mindestens 2 Meter außerhalb des Ortsgebiets. Bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von höchstens 30 km/h kann der Seitenabstand reduziert werden. In dem Fall gilt die bisherige Regelung, dass ein „der Verkehrssicherheit und der Fahrgeschwindigkeit entsprechender seitlicher Abstand“, eingehalten werden muss.

Mit der Aktion Rücksicht durch Abstand schafft die FahrRad Beratung OÖ Bewusstsein für sicheres Überholen und führt regelmäßig Messungen des seitlichen Überholabstands in Gemeinden durch.

Infografik Überholabstand Radfahren
Rücksicht durch Abstand

© Thomas Strasser / FahrRad Beratung OÖ

  • mind. 1,5m Überholabstand im Ortsgebiet
  • mind. 2m Abstand außerorts
  • bei max. 30 km/h: Regelung wie bisher

Nebeneinander Rad fahren

Kinder unter zwölf Jahren benötigen in manchen Situationen eine zusätzliche Anleitung und Erklärung zum Verkehrsgeschehen. Eine Begleitperson darf nun immer neben dem Kind auf der Fahrbahn radeln. Ausgenommen sind nur Schienenstraßen. In Tempo 30-Straßen wird das Nebeneinanderfahren für alle Radfahrenden jetzt möglich, „sofern niemand gefährdet wird, das Verkehrsaufkommen es zulässt und andere Verkehrsteilnehmer nicht am Überholen gehindert werden“. Nicht erlaubt ist das nebeneinander Radfahren auf Schienen- und Vorrangstraßen sowie gegen die Fahrtrichtung von (geöffneten) Einbahnen.

Erwachsene dürfen neben Kind Radfahren

© www.pd-f.de Luka Gorjup

  • Begleitperson darf neben Kind radeln
  • Nebeneinander radeln für alle auf Tempo 30 Straßen
  • Ausgenommen sind Schienenstraßen, Vorrangstraßen, geöffnete Einbahnen gegen Fahrtrichtung

Grünpfeil für das Rechtsabbiegen oder Geradeausfahren bei Rot

Die Behörden haben künftig die Möglichkeit, dem Radverkehr an einzelnen Kreuzungen das Rechtsabbiegen bei Rot zu erlauben, indem sie dort ein Zusatzschild mit einem grünen Pfeil und Radsymbol anbringen. An T-Kreuzungen gibt es eine analoge Regelung fürs Geradeausfahren. Die Radfahrenden haben in diesen Situationen gegenüber querenden Fußgänger:innen Wartepflicht und müssen vor dem Abbiegevorgang anhalten, ähnlich wie bei einem Stopp-Schild. Weiterfahren können sie, wenn eine Gefährdung anderer ausgeschlossen ist.

© StVO-Novelle 2022 Begutachtungsentwurf

  • Zusatzschild erlaubt Rechtsabbiegen oder Geradeausfahren bei Rot
  • Verhalten wie bei Stopp-Schild

Queren von Kreuzungen im Verband

Zukünftig soll das Radfahren als Gruppe (z. B. für Radausflüge von Schulklassen) erleichtert werden. Wenn eine Gruppe (lt. StVO „ein Verband“) von mind. 10 Personen gemeinsam in eine Kreuzung einfährt, muss ihr das gemeinsame Verlassen der Kreuzung ermöglicht werden – auch, wenn die Ampel währenddessen auf Rot umgeschaltet hat. Zur besseren Erkennbarkeit für alle Verkehrsteilnehmenden, muss die erste und die letzte Person der Gruppe eine Warnweste tragen und das Ende der Gruppe muss mit einem Handzeichen signalisiert werden (erforderlichenfalls hat die voranfahrende Person vom Fahrrad abzusteigen).

Grafische Visualisierung queren der Kreuzung durch Radfahrer im Verband
© bmk

Reißverschluss statt Nachrang

Künftig gilt am Ende eines Radwegs, so wie im Autoverkehr, im Ortsgebiet das Reißverschlussprinzip. Für Radfahrstreifen galt diese Regelung bisher schon.

Annäherung an Radfahrerüberfahrten ohne 10km/h-Regel

Bei der Annäherung an eine Radfahrerüberfahrt musste man bisher immer auf 10 km/h abbremsen. Künftig ist das nur noch zwingend notwendig, wenn ein Auto in unmittelbarer Nähe unterwegs ist.

Klarstellung zu fehlender Ausrüstung

Wenn Radfahrer:innen gegen eine oder mehrere Ausrüstungsbestimmungen der Fahrradverordnung bezüglich Reflektoren oder Lichter verstoßen, darf sich die Strafhöhe nicht mehr summieren. Es ist dies nur mehr „als eine einzelne Verwaltungsübertretung zu bestrafen.“

Einheitliche Radwegweisung

Österreichweit einheitlich sollen die Radwegweisungen erfolgen, auch Pfeilwegweisungen sind dann möglich. Eigene und einheitliche Wegweiser erleichtern die Orientierung der Radfahrenden deutlich.

S-Pedelecs auf Radwegen am Land

Zukünftig kann die Behörde auf Radfahranlagen das Befahren von landwirtschaftlichen Fahrzeugen und S-Pedelecs zulassen. In der Vergangenheit stellte diese Vorschrift oftmals ein Hindernis für den Bau von Radwegen am Land dar.

Fahrradstraßen mit Kfz-Erlaubnis

Die Behörde kann nach dieser Novelle „nach Maßgabe der Erfordernisse und unter Bedachtnahme auf die örtlichen Gegebenheiten“ bestimmen, dass die Fahrradstraße dauernd, zu bestimmten Zeiten oder „zu Zwecken der Durchfahrt“ mit Kfz befahren werden darf. Das erleichtert die Einführung von Fahrradstraßen .

Keine Neu-Regelung bei Einbahnen

Entgegen des ursprünglichen Entwurfs (Einbahnen bei Tempo 30 im Regelfall für den Radverkehr zu öffnen), werden in der beschlossenen StVO-Novelle keine Änderungen bei der Öffnung von Einbahnen für den Radverkehr umgesetzt.

Mobilität für Kinder – Die neue Schulstraße

Mit dem neuen einheitlichen Verkehrszeichen „Schulstraße“ wird noch deutlicher den Bewegungs- und Sicherheitsbedürfnissen von Kindern entsprochen. Behörden können Schulstraßen festlegen, in denen beispielsweise zu Schulbeginn und zu Schulende ein Fahrverbot für Kraftfahrzeuge gilt. Das morgendliche Verkehrschaos vor vielen Schulen wird somit aufgelöst. In einer Schulstraße darf auf der Fahrbahn gegangen werden, Radfahren ist in Schrittgeschwindigkeit erlaubt und Kraftfahrzeuge für Anrainer:innen dürfen, ebenfalls in Schrittgeschwindigkeit, nur zu- und abfahren. Mechanische Sperren (z. B. Poller, Sperrgürtel oder Zäune) sind zulässig und haben sich zur Um- und Durchsetzung einer Schulstraße bewährt. Ziel ist es die Sicherheit der Schulkinder zu gewährleisten.

Bisher mussten diese Fahrverbote für jede Schule von der zuständigen Behörde eigens entwickelt werden. Es gab kein einheitliches Verkehrszeichen dafür. Die Verordnung ist nun einfacher und die Schulstraße durch das Verkehrszeichen erkennbar.

Neueinführung der Schulstraße
© BMK/unart
  • Fahrverbot für Kfz zu festgelegten Zeiten (Schulbeginn und -ende)
  • Gehen auf Fahrbahn erlaubt
  • Radfahren in Schrittgeschwindigkeit erlaubt
  • Zu- und Abfahren für Anrainer in Schrittgeschwindigkeit erlaubt
  • Mechanische Durchfahrtssperren empfohlen

Verbesserungen für den Fußverkehr

Mehr Platz und weniger Hindernisse auf Gehsteigen

Der oft ohnehin zu knappe Platz am Gehsteig wird zusätzlich durch abgestellte Gegenstände beschnitten. Bisher war es nicht verboten, Fahrzeugteile auf den Gehsteig oder Radwege hineinragen zu lassen. Neu dürfen nun auf der Fahrbahn parkende Fahrzeuge nicht mehr auf Radwegen und Gehsteigen hineinragen (bei Gehwegen ausgenommen geringfügiges Überragen durch Seitenspiegel oder Stoßstange).

Für Ladetätigkeiten für bis zu 10 Minuten dürfen Gehsteige bis auf 1,5 m verengt werden. Bei Einbauten und Gegenständen sind zukünftig dauerhaft 1,5 m frei zu halten, mit temporären Ausnahmen bei Bauarbeiten. Dieses Verbot gilt für Radwege absolut; Für Gehsteige darf dieser für eine kurze Ladetätigkeit genutzt werden. Eine Mindestbreite von 1,5 Metern muss aber jedenfalls freibleiben. Es gilt diese Regelung übrigens ebenfalls auch für alle weiteren möglichen Hindernisse (z. B. Müllcontainer, etc.).

Verkehrszeichen – die meist nur für die Regelung des Verkehrs auf der Fahrbahn benötigt werden – mussten bisher mindestens 30 cm vom Fahrbahnrand entfernt aufgestellt werden. Besonders in der Stadt geht das immer zu Lasten des Gehsteigs und verursacht Engstellen für Zufußgehende. Mit der neuen Regelung können die Behörden nun Verkehrszeichen bis 0 cm vom Fahrbahnrand weg aufstellen, womit für den Fußverkehr mehr Platz ermöglicht wird.

Grundsätzlich wird das Überqueren der Fahrbahn für Zufußgehende nicht mehr „in angemessenen Eile“ vorgeschrieben, sondern zukünftig ist nur mehr zu beachten, sich selbst oder andere Verkehrsteilnehmende nicht zu gefährden.

StVO vorher-nachher: Vollständige Text-Gegenüberstellung:

Der österreichische Nationalrat hat die 33. Novelle der Straßenverkehrsordnung am 6. Juli 2022 abends in seiner 167. Sitzung beschlossen. 

Hier ist eine vollständige Gegenüberstellung der alten und neuen Fassung der StVO zu finden: https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXVII/I/I_01535/fname_1452774.pdf

Kompakter Überblick

Eine Übersicht der wichtigsten Neuerungen für den Rad- und Fußverkehr hier als pdf downloaden