Beitrag vom 30. April 2022
StVO-Novelle 2022 in Begutachtung
Achtung: Dieser Artikel dient nur der Nachlese – hier geht’s zum Beitrag über die beschlossene 33. StVO-Novelle
Österreich plant mit der StVO-Novelle 2022 wichtige Verbesserungen für den Radverkehr: u.a. ein gesetzlich definierter Mindest-Überholabstand für Kfz beim Überholen von Radfahrer:innen, standardmäßig geöffnete Einbahnen bei Tempo 30 und den Grünpfeil, um bei Ampeln Rechtsabbiegen bei Rot für Radfahrer:innen erlauben zu können.
Radrelevante Inhalte der Novelle
Definierter Überholabstand
Mit der Aktion Rücksicht durch Abstand macht die FahrRad Beratung OÖ auf die Notwendigkeit des ausreichenden Abstands beim Überholen von Radfahrer:innen aufmerksam. Nun ist die Einführung eines definierten gesetzlichen Seitenabstands beim Überholen von Fahrrädern durch Kraftfahrzeuge geplant: mehr als 1,5 Metern im Ortsgebiet und mehr als 2 Metern im Freilandgebiet. Bei schmalen Straßen mit Tempo 30 gilt mindestens 1 Meter Überholabstand.

© BMK/unart
Nebeneinander Rad fahren
Kinder unter zwölf Jahren benötigen in manchen Situationen eine zusätzliche Anleitung und Erklärung zum Verkehrsgeschehen. Eine Begleitperson darf nun immer neben dem Kind auf der Fahrbahn radeln. Ausgenommen sind nur Schienenstraßen. Auch in Tempo 30-Straßen wird das Nebeneinanderfahren für alle Radfahrenden jetzt möglich, außer auf Schienen- und Vorrangstraßen. Dabei muss vor allem darauf geachtet werden, dass niemand gefährdet oder am Überholen gehindert wird.

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Queren von Kreuzungen als Verband
Zukünftig soll das Radfahren als Gruppe (z. B. für Radausflüge von Schulklassen) erleichtert werden. Wenn einer Gruppe (lt. StVO „ein Verband“) von mind. 10 Personen gemeinsam in eine Kreuzung einfährt, muss ihr das gemeinsame Verlassen der Kreuzung ermöglicht werden – auch, wenn die Ampel währenddessen auf Rot umgeschaltet hat. Zur besseren Erkennbarkeit für alle Verkehrsteilnehmenden, muss die erste und die letzte Person der Gruppe eine Warnweste tragen und das Ende des Verbands muss mit einem Handzeichen signalisiert werden (erforderlichenfalls hat die voranfahrende Person vom Fahrrad abzusteigen).
Grünpfeil für das Rechtsabbiegen oder Geradeausfahren bei Rot
Mit dem Grünpfeil an Ampeln kommt in Österreich, was die Niederlande seit drei und Frankreich seit einem Jahrzehnt haben: Besserer Verkehrsfluss an Ampeln und weniger überflüssige Verzögerungen für den Radverkehr.

© StVO-Novelle 2022 Begutachtungsentwurf
Einbahnöffnungen: Standard bei Tempo 30
Die Öffnung von Einbahnen ist ein wichtiges Werkzeug, um kurze Wege für den Radverkehr zu schaffen. Mit der neuen StVO Novelle ist das Radfahren gegen die Einbahn bei einer Maximalgeschwindigkeit von 30 km/h und bei einer Fahrbahnbreite von mehr als 4 Metern standardmäßig immer erlaubt. Die Behörde muss die Einbahnöffnung durch die entsprechende Beschilderung anzeigen. Sollte es die Verkehrssicherheit einfordern, kann das Radfahren gegen die Einbahn durch die Behörde untersagt werden. Wie schon bisher in Wohnstraßen möglich, dürfen Radfahrende künftig auch in Begegnungszonen gegen die Einbahn fahren.
Reißverschluss statt Nachrang
Künftig gilt am Ende eines Radwegs, so wie im Autoverkehr, im Ortsgebiet das Reißverschlussprinzip. Für Radfahrstreifen galt diese Regelung bisher schon.
Annäherung an Radfahrerüberfahrten ohne 10km/h-Regel
Bei der Annäherung an eine Radfahrerüberfahrt musste man bisher immer auf 10 km/h abbremsen. Künftig ist das nur noch zwingend notwendig, wenn ein Auto in unmittelbarer Nähe unterwegs ist.
Klarstellung zu fehlender Ausrüstung
Wenn Radfahrer:innen gegen eine oder mehrere Ausrüstungsbestimmungen der Fahrradverordnung bezüglich Reflektoren oder Lichter verstoßen, darf sich die Strafhöhe nicht mehr summieren. Es ist dies nur mehr „als eine einzelne Verwaltungsübertretung zu bestrafen.“
Einheitliche Radwegweisung
Österreichweit einheitlich sollen die Radwegweisungen erfolgen, auch Pfeilwegweisungen sind dann möglich. Eigene und einheitliche Wegweiser erleichtern die Orientierung der Radfahrenden deutlich.
S-Pedelecs auf Radwegen am Land
Zukünftig kann die Behörde auf Radfahranlagen das Befahren von landwirtschaftlichen Fahrzeugen und S-Pedelecs zulassen. In der Vergangenheit stellte diese Vorschrift oftmals ein Hindernis für den Bau von Radwegen am Land dar.
Fahrradstraßen mit Kfz-Erlaubnis
Die Behörde kann nach dieser Novelle „nach Maßgabe der Erfordernisse und unter Bedachtnahme auf die örtlichen Gegebenheiten“ bestimmen, dass die Fahrradstraße dauernd, zu bestimmten Zeiten oder „zu Zwecken der Durchfahrt“ mit Kfz befahren werden darf. Das erleichtert die Einführung von Fahrradstraßen .
Mobilität für Kinder – Die neue Schulstraße
Mit dem neuen einheitlichen Verkehrszeichen „Schulstraßen“ wird noch deutlicher den Bewegungs- und Sicherheitsbedürfnissen von Kindern entsprochen. Kinder können somit fit und munter in den Unterricht starten. Behörden können Schulstraßen festlegen, in denen beispielsweise zu Schulbeginn und zu Schulende ein Fahrverbot für Kraftfahrzeuge gilt. Das morgendliche Verkehrschaos vor vielen Schulen wird somit aufgelöst. In einer Schulstraße darf auf der Fahrbahn gegangen werden, Radfahren ist in Schrittgeschwindigkeit erlaubt und Kraftfahrzeuge für Anrainer:innen dürfen, ebenfalls in Schrittgeschwindigkeit, nur zu- und abfahren. Mechanische Sperren (z. B. Poller, Sperrgürtel oder Zäune) sind zulässig und haben sich zur Um- und Durchsetzung einer Schulstraße bewährt. Ziel ist es die Sicherheit der Schulkinder zu gewährleisten.

Verbesserungen für den Fußverkehr
Mehr Platz und weniger Hindernisse auf Gehsteigen
Der oft ohnehin zu knappe Platz am Gehsteig wird zusätzlich durch abgestellte Gegenstände beschnitten. Bisher war es nicht verboten, Fahrzeugteile auf den Gehsteig oder Radwege hineinragen zu lassen. Neu dürfen nun auf der Fahrbahn parkende Fahrzeuge nicht mehr auf Radwegen und Gehsteigen hineinragen. Dieses Verbot gilt für Radwege absolut; Für Gehsteige darf dieser für eine kurze Ladetätigkeit genutzt werden. Eine Mindestbreite von 1,5 Metern muss aber jedenfalls freibleiben. Es gilt diese Regelung übrigens ebenfalls auch für alle weiteren möglichen Hindernisse (z. B. Müllcontainer, etc.).
Verkehrszeichen – die meist nur für die Regelung des Verkehrs auf der Fahrbahn benötigt werden – mussten bisher mindestens 30 cm vom Fahrbahnrand entfernt aufgestellt werden. Besonders in der Stadt geht das immer zu Lasten des Gehsteigs und verursacht Engstellen für Zufußgehende. Mit der neuen Regelung können die Behörden nun Verkehrszeichen bis 0 cm vom Fahrbahnrand weg aufstellen, womit für den Fußverkehr mehr Platz ermöglicht wird.
Grundsätzlich wird das Überqueren der Fahrbahn für Zufußgehende nicht „mehr in angemessenen Eile“ vorgeschrieben, sondern zukünftig ist nur mehr zu beachten, sich selbst oder andere Verkehrsteilnehmende nicht zu gefährden. Auch der Vorrang für Zufußgehende am Gehweg/Gehsteig gegenüber querende Fahrzeuge wird klar festgeschrieben.
Fahrzeuge dürfen in Zukunft an befahrbaren Haltestellkaps – bei der Haltestelle stehenden Straßenbahnen und Bussen – nur mehr vorbeifahren, wenn die Türen geschlossen sind. Damit erhöht sich die Sicherheit für Ein- oder aussteigende Personen. Darüber hinaus müssen Fahrzeuge > 3,5 Tonnen im Ortsgebiet beim Rechtsabbiegen in Schrittgeschwindigkeit fahren, wenn Rad- oder Fußverkehr zu erwarten ist.
Neu ist auch, dass Fußgänger:innen am Gehsteig immer Vorrang bekommen. Besonders relevant ist dies beispielsweise bei Garagenausfahrten oder Parkplatzausfahrten.
Kürzere Wartezeiten und längere Grünphasen an Ampeln
Bei der Ampelschaltung soll nun auf die Bedürfnisse der zu Fuß Gehenden geachtet werden. Die Ampeln werden so geschaltet, dass nach kurzer Wartezeit eine längere Grünphase für Fußgänger:innen folgt, um ohne Eile über die Straße gehen zu können.
Parkende Autos verstellen die Sicht auf die Verkehrssituation. Damit wird das sichere Überqueren der Straße für Fußgänger:innen erschwert. An gefährlichen Kreuzungen muss die Behörde hier für bessere Bedingungen sorgen und die freizuhaltende 5m-Zone auf 8 Meter erweitern.
Klimaschutzministerin Leonore Gewessler (BMK) und die Fraktions-Mobilitätssprecher Andreas Ottenschläger (ÖVP) und Lukas Hammer (Grüne) stellten das umfassende Paket von Verbesserungen zum Gehen & Radfahren am 29.4.2022 vor. Das immer beliebtere Radfahren im Alltag solle erleichtert und sicherer werden. „Besonders für das Radfahren und Zufußgehen ist es überfällig, die Verkehrsregeln ins 21. Jahrhundert zu holen. Und genau das machen wir mit der Novelle der StVO. Radfahrer:innen und Fußgänger:innen bekommen endlich einen höheren Stellenwert“ so Gewessler. Der vorliegende Entwurf der StVO-Novelle befindet sich noch bis zum 1. Juni 2022 in Begutachtung. Stellungnahmen können über die Website des Österreichischen Parlaments eingebracht werden.
Quellen: klimaaktiv mobil, Radkompetenz Österreich